Ballast abwerfen für ein leichteres Leben

Weg damit: Die Kunst des Loslassens

"Ich würde ja gern, aber ich kann mich einfach nicht davon trennen."

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„Ich würde ja gern, aber ich kann mich einfach nicht davon trennen.“

Diesen Satz hören wir oft. Ob es sich um alte Erinnerungsstücke, festgefahrene Routinen oder längst überholte Glaubenssätze handelt – Loslassen fällt schwer. Doch warum eigentlich?

Loslassen bedeutet nicht, dass wir unsere Vergangenheit abwerten oder verleugnen. Ganz im Gegenteil: Es ist eine bewusste Entscheidung, Platz für Neues zu schaffen und mit mehr Leichtigkeit durchs Leben zu gehen.

Warum halten wir fest?

Viele Menschen verbinden mit Dingen, Gewohnheiten oder sogar bestimmten Lebensumständen eine tiefere Bedeutung. Sie sind Teil unserer Identität, geben uns Sicherheit oder rufen Erinnerungen wach. Doch was uns einmal gestärkt hat, kann uns irgendwann auch begrenzen.

Hier sind drei häufige Gründe, warum uns das Loslassen so schwerfällt:

 

Nr. 1: Emotionale Bindung – „Das hat mir damals soviel bedeutet.“  

Bücher, Fotos, die Eintrittskarte eines besonderen Konzerts, das Kleid, das man zur Hochzeit eines lieben Menschen getragen hat, das (damals) wertvolle Porzellan aus dem Elternhaus– all diese Dinge sind mehr als nur Objekte. Sie sind mit Erinnerungen und Gefühlen verknüpft. Und genau das macht es so schwer, sich von ihnen zu trennen.

Doch auch wenn solche Stücke uns an schöne Momente erinnern, können sie auch zur Last werden. Häufig, weil sie uns an eine Zeit erinnern, die unwiederbringlich vorbei ist.

Vielleicht, weil sie mit einer Person verbunden sind, die nicht mehr Teil unseres Lebens ist. Oder weil sie uns an eine Version von uns selbst erinnern, die wir längst hinter uns gelassen haben.

Warum fällt es so schwer, sich von solchen Dingen zu trennen?
  • Sie sind Anker in die Vergangenheit.
    Manche Gegenstände geben uns das Gefühl, einen Teil unserer Geschichte festzuhalten. Sie stehen symbolisch für ein bestimmtes Lebensgefühl, eine Epoche, in der wir uns vielleicht besonders lebendig oder glücklich gefühlt haben.
  • Sie verkörpern verpasste Chancen.
    Ein teures Buch, das man nie gelesen hat. Der Malkasten, den man sich gekauft hat, weil man „endlich kreativ werden“ wollte. Das ungetragene Kleid in der Hoffnung, irgendwann die perfekte Gelegenheit zu finden. Manchmal halten wir an Dingen fest, weil wir an den nicht verwirklichten Möglichkeiten hängen, die mit ihnen verbunden sind.
  • Sie sind mit Verlust oder Trauer verbunden.
    Erinnerungen an geliebte Menschen oder vergangene Zeiten können schmerzhaft sein. Das alte Parfum der Mutter, die nicht mehr da ist. Der Ring eines früheren Partners. Diese Dinge loszulassen, fühlt sich an, als würde man die Menschen oder Erlebnisse selbst aus dem Leben streichen – doch das ist ein Trugschluss.
Wie kannst du loslassen, ohne Erinnerungen zu verlieren?

💡 Erinnerungen sind wertvoll, aber sie leben in uns – nicht in den Dingen.

Statt sich mit physischen Gegenständen zu belasten, gibt es Wege, Erinnerungen auf eine Weise zu bewahren, die leicht und frei macht:

  1. Das Wesentliche bewahren
    Du musst nicht jedes Andenken behalten, um dich zu erinnern. Oft reicht ein einzelnes Symbol, das stellvertretend für eine ganze Epoche oder eine Person steht – etwa ein Foto statt einer ganzen Kiste voller Erinnerungsstücke.
  2. Ein Ritual des Abschieds schaffen
    Sich bewusst von einem Gegenstand zu verabschieden, kann helfen, die Bedeutung anzuerkennen und dann loszulassen. Nimm ihn in die Hand und bedanke dich, bevor du ihn weitergibst oder entsorgst.

 

Nr. 2: Angst vor Veränderung – „Was kommt danach?“

Loslassen bedeutet, einen vertrauten Zustand aufzugeben. Selbst wenn dieser nicht mehr glücklich macht, vermittelt er eine gewisse Sicherheit. Das Unbekannte hingegen wirkt beängstigend – schließlich wissen wir, was wir verlieren, aber nicht, was wir gewinnen.

Viele Menschen bleiben in Situationen, die sie unzufrieden machen, weil der Gedanke an das Danach ungewiss ist. Was, wenn die Veränderung nicht besser, sondern schlimmer wird? Was, wenn ich mich falsch entscheide? Diese Fragen erzeugen eine Art innere Lähmung.
Doch Veränderung ist keine Bedrohung – sie ist der natürliche Lauf des Lebens.

Warum fürchten wir uns vor dem Unbekannten?
  • Gewohnheiten geben Sicherheit
    Unser Gehirn liebt Routinen. Sie geben uns das Gefühl, die Kontrolle zu haben, und sparen Energie. Selbst unbefriedigende Umstände fühlen sich „vertraut“ an und sind dadurch oft angenehmer als das Risiko der Veränderung.
  • Verlust ist oft unmittelbarer spürbar als Gewinn
    Psychologisch betrachtet fällt es uns schwerer, etwas aufzugeben, als uns auf die möglichen Vorteile einer Veränderung zu konzentrieren. Wir sehen das, was verschwindet, klarer als das, was entstehen könnte.
  • Die Angst vor Fehlern blockiert
    Viele Menschen fürchten, eine falsche Entscheidung zu treffen. Was, wenn ich etwas weggebe und es dann bereue? Was, wenn ich einen neuen Job annehme und es dort noch schlimmer wird? Was, wenn ich eine Beziehung beende und es bereue?
Wie kann man die Angst vor Veränderung überwinden?

💡 Veränderung ist der natürliche Lauf des Lebens. Jedes Mal, wenn du etwas verabschiedest, schaffst du Platz für Neues – sei es eine neue Chance, eine tiefere Erkenntnis oder einfach mehr innere Ruhe.

Hier sind zwei Impulse, die helfen können:

  1. Mache dir bewusst, dass auch Stillstand eine Entscheidung ist.
    Wie sieht dein Leben aus, wenn du genauso weitermachst wie bisher? Wie fühlt sich dieser Gedanke in fünf oder zehn Jahren an?
  2. Erinnere dich an vergangene Veränderungen.
    Wann hast du in der Vergangenheit eine große Entscheidung getroffen – und wie hat sie dich weitergebracht?

 

Nr.3: Verpflichtungsgefühl – „Ich kann doch nicht einfach aufhören.“

Viele Menschen halten an Dingen, Beziehungen oder Verpflichtungen fest, die sie längst nicht mehr glücklich machen. Nicht, weil sie es wollen – sondern weil sie glauben, dass sie es müssen.
Ein Geschenk, das nie benutzt wurde, aber aus schlechtem Gewissen aufbewahrt wird. Ein Ehrenamt, das zur Belastung geworden ist, aber nicht „einfach so“ aufgegeben werden kann. Eine Freundschaft, die schon lange nicht mehr guttut, aber aus Loyalität weiter gepflegt wird.


Das Gefühl der Verpflichtung kann uns tief verankert sein. Doch ist es wirklich unsere Verantwortung, Dinge aufrechtzuerhalten, die uns Energie rauben?

Warum fällt es so schwer, sich von Verpflichtungen zu lösen?
  • Angst, andere zu enttäuschen
    Wir wollen niemanden verletzen oder zurücklassen. Ein „Nein“ oder ein Rückzug fühlt sich an, als würden wir jemanden im Stich lassen.
  • Die Idee, dass „Durchhalten“ wertvoller ist als Loslassen
    Durchhaltevermögen wird oft als Tugend gesehen. Wer lange an etwas festhält, gilt als zuverlässig und loyal. Doch manchmal bedeutet Festhalten einfach nur, dass wir uns selbst übergehen.
  • Der Glaube, dass Aufhören mit Versagen gleichzusetzen ist
    Viele Menschen denken, wenn sie etwas beenden, bedeutet es, dass sie gescheitert sind. Dabei ist es oft genau das Gegenteil: Ein bewusster Schritt in die richtige Richtung.
 
Wie kannst du dich von unnötigen Verpflichtungen befreien?

💡 Halte ich daran fest, weil es mich erfüllt – oder weil ich glaube, es tun zu müssen?

Hier sind zwei Impulse, die helfen können:

  1. Unterscheide zwischen echter Verantwortung und auferlegter Pflicht
    Ist diese Verpflichtung wirklich meine? Oder habe ich sie nur übernommen, weil es von mir erwartet wurde?
  2. Mache dir bewusst, dass dein Glück genauso zählt wie das der anderen
    Wenn ein guter Freund in deiner Situation wäre, was würdest du ihm raten? Oft sind wir zu uns selbst strenger als zu anderen.

 

Loslassen bedeutet Freiheit

Wer loslässt, schafft Platz für das, was jetzt wirklich zählt.

Die Vergangenheit bleibt ein Teil von uns – aber sie bestimmt nicht unsere Zukunft.

Viele Dinge kann man gut selbst loslassen, vor allem, wenn du einmal den Anfang gemacht hast. Bei emotionalem Ballast sieht das häufig anders aus. Vielleicht wünschst du dir einen neutralen Blick von außen?

Welchen Ballast möchtest du loswerden?

Die Autor:innen

Beatrice Bleß-Lieb und Martin Lieb begleiten Menschen In der zweiten Lebenshälfte.

Unser Buch "Lebensmutig"

ODER WIE WIR LERNTEN, UNSERE KRISEN ALS GESCHENK ANZUNEHMEN, UND UNSER GLÜCK FANDEN